Der westliche Landkreis Sorau

1. Allgemeines zu Niewerle

Niewerle wurde erstmalig 1346 in einem Verzeichnis des Bistums Meißen erwähnt, als von einem Gotteshaus zu Nywerlde die Rede ist. 1513 wird ein dortiger Pfarrer "zur Nieberle" genannt, weil dieser von drei üblen Spießgesellen überfallen und seines Mantels  beraubt worden war. Im "Historischen Ortslexikon für die Niederlausitz" fand ich den Hinweis, dass der Ortsname in einem Dokument vom 14.Juli 1538 schon in der bekannten Schreibweise, als Niewerle,aufgeführt wurde.Die Schreibweise Niewerles variierte über die Jahrhunderte. Auf historischen Karten und in Dokumenten liest man schon mal Nieberle (1513), Nywerlde (1451), Nywerle (1551), Niewerla, Niverla oder Niverle (1754). In einem Dokument vom 14.Juli 1538 taucht bereits das Dorf in der bekannten Schreibweise, als Niewerle, auf. Prof. Buttmann erklärt 1856 in seiner Abhandlung: "Die deutschen Ortsnamen mit besonderer Berücksichtigung  der ursprünglich wendischen in  der Mittelmark u. Niederlausitz": [  ]  der Dorfname Niwerle im Kr. Sorau, wendisch niwerla, abgeleitet von niwiza und von ta niwa =  Ackerland.
Niewerle soll also "Ackerland" bedeuten. Dies schrieb ebenfalls der in Niewerle geborene Emil Plache in einem Artikel des Sorauer Heimatblattes.
Die Historiker und Namensforscher Eichler u. Zschieschang lieferten in ihrem Buch folgende Erklärung: Nûwe werle, Niewerle/Niewerla/Nowa Rola = Neue Welt (nie+werlde)                                         (Quelle: Die Ortsnamen der NL östlich der Neiße), 2011)                                                                                    Dieser Dorfname ist und war im deutschsprachigen Kultur-und Siedlungsgebiet einmalig, im Gegensatz zu anderen Ortsbezeichnungen deutsch-sorbisch-wendischen Ursprungs (z. B. Leipe, Kulm).


Einwohnerentwicklung/Einwohnerverzeichnisse 1928 u. 1938


2. Das Dorf Niewerle bis 1945

Die Einwohnerstruktur und -anzahl (vorwiegend Kleinbauern)  änderte sich bis zur Vertreibung 1945 kaum. Im Zuge einer Kommunalreform wurden 1929 die Gutsbezirke aufgelöst und die Einwohner dem Dorf zugerechnet. Die Gemeindefläche betrug zuletzt 800 ha.

Niewerle könnte man aufgrund der baulichen Anordnung seiner Grundstücke heute eher als "Straßendorf" bezeichnen. Die inzwischen asphaltierte Chaussee Tuplice (Teuplitz) - Lubsko (Sommerfeld) ist die Hauptverbindungsstraße und durchquert den Ort. Auf Schenk`s Karte 1754 gab es nur Waldwege die Niewerle mit Dolzig/Sommerfeld bzw. Pockuschel verbanden.                                                                            Hauptverbindungsweg und gleichzeitig auch Postkutschen-Route war damals: Pförten - Roggaische Mühle - Niewerle - Giritz (Jüritz) - Pitschkau - Sorau  Diese Strecke  hat schon längst keine Bedeutung mehr.

Eine weitere, kopfsteingepflasterte Straße führt heute in Niewerle von der Kirche nach Drehne. Der Weg zum Friedhof wurde 2017 asphaltiert. 

Die Acker-, Wiesen und Waldflächen befanden sich vor allem nördlich und südlich des Dorfes. Hier einige Flurnamen: Wolschina/Wolschinska, Zirnwiese, Fließrain, Pieskanitza, Lasser, Meschnitz-Wiesen, Palpiescha, Bauernbusch, Holzung Bräsina, Schilfwiesen, hinter dem Gute, Bauernbusch, Rain Mittelstück, Acker alte Buche                                            (Quelle: Unterlagen aus d. Evangelischen Zentralarchiv Berlin)

Viele Dokumente und Kirchenbücher aus dem Kreis Sorau gingen bei Kriegsende 1945 verloren. Doch als einer der ganz wenigen Orte blieb ein KB-Duplikat von Niewerle aus den Jahren 1817 - 1874 erhalten und kann im Brandenburgischen Landeshauptarchiv (BLHA Potsdam)  eingesehen werden. Die 1868 erbaute Kirche steht am östlichen Dorfanger, an der Kreuzung der Sommerfelder-Teuplitzer Chaussee, der Drehner Str. und dem Weg zum Friedhof. 2015 wurde das heute katholische Gotteshaus neu verputzt. 

Zwei Gaststätten (Kubale, mit Tanzsaal, gegenüber der Kirche; Gasthaus König am Dorfanger) füllten sich nach dem sonntäglichen Kirchgang. Die Post/Telefonvermittlung besorgte das Ehepaar Kasprig, deren ehemaliges Wohnhaus sehr schön renoviert und heute zu einer Gärtnerei gehört. Kasprigs betrieben außerdem noch eine Kolonialwarenhandlung, waren wirtschaftlich also vielseitig aufgestellt.  Die Bäckerei von Küblers (an der Straße nach Drehne) soll sogar am Sonntag frisches Brot und Brötchen verkauft haben. Unweit von Küblers, gegenüber dem Bahnhof, lag Alfred Koalls Tischlerei-Betrieb. Familie Broesan soll ebenfalls eine Lebensmittelhandlung 1938 betrieben haben. Stellmacher Franz Lehmanns Werkstatt lag am Ortsausgang in Richtung Teuplitz. Etwas abseits der Hauptstraße gab es eine Holzpantoffel-Fabrikation (Fam. Otto Krause), wogegen die Schmiede von Paul Sommer mitten im Dorf zu finden war. Etwa 2 km außerhalb des Dorfes, direkt an der Straße nach Teuplitz, lag einst das weiträumige Gelände der Droschker Mühle, deren letzter Besitzer, Moritz Heymann, schon 1935 verstarb. Die Mühle gehörte zu Niewerle, wogegen das westlich gelegene Forsthaus Schmidt (ebenfalls 2 km entfernt) zur Gemarkung Pockuschel/Rotfelde gehörte.  

Direkt in der Mitte des Dorfangers, ungefähr wo heute eine Hinweistafel für Wanderer und Radfahrer Auskunft gibt, stand einst das Anfang der 1920er Jahre errichtete Kriegerdenkmal. Auf einem weißen Granit-Obelist, den ein niedriges Zäunchen umrahmte, waren bis 1945 alle im I. Weltkrieg Gefallenen Niewerler eingraviert.  Folgende Niewerler waren vermutlich darauf genannt:                                                                                          Bothe, Reinhold;  Noack, Reinhold;  Hahn, Richard;  Schmidt, Paul;  Kasprig, Paul;  Sommer, Friedrich;  Lehmann, Paul                (Quelle: genealogy.net, Verlustliste,Stand April 2016;  nur Gefallene, nicht vollständig)

Dorfanger Niewerle mit Kriegerdenkmal um 1925 Ausschnitt Postkarte


Gasthaus Niewerle um 1930 Ausschnitt Postkarte













3. Die Kirche von Niewerle

Im deutschsprachigen Raum wurden etwa ab 1530 Kirchenbücher angelegt, in Niewerle nachweislich ab 1641 (1641 - 1740 verschollen; 1741 - 1802 einsehbar im Archiwum Panstwowe Zielona Gora; 1802 - 1816, verschollen, 1817 - 1874  BLHA Potsdam). Alle genannten Kirchenbücher existierten jedoch noch bei einer Kircheninventur 1939. Die noch vorhandenen KB und auch Urkunden-Abschriften aus den östlichen Gebieten Deutschlands sind inzwischen digitalisiert über das Portal www.ancestry.de abrufbar.

1743 beschrieb Pastor Heinrich Schulz das Kirchengebäude als einen mittelalterlichen, einschiffigen Fachwerkbau, mit eingezogenem Rechteck-Chor und gemauerter Sakristei. 1641, während des Dreißigjährigen Krieges, soll das Gebäude vollkommen verwüstet worden sein. Die arme Kirchengemeinde benötigte annähernd einhundert Jahre, um es wieder einigermaßen instand zu setzen. 1725 war der massive Turm neu mit Schindeln gedeckt, und eine Vorhalle angebaut worden. 1729 verbesserte man die Licht- und Akustikverhältnisse. Weitere Änderungen, Renovierungen folgten, bis der Zustand der Kirche so desolat wurde, dass ein Neubau 1868 erforderlich wurde. Der Turm brannte 1867 ab und musste 1871 neu errichtet werden. Die Glocken lieferte  die Glockengießerei Hadank und Söhne (Hoyerswerda). Aber bald klagte Hadank wegen Zahlungsschwierigkeiten bzw. Einsprüchen der Gemeinde. Es ging um 553,24 Mark (einschließlich Gerichtskosten). Im I. Weltkrieg wurden auch die Niewerler Glocken eingeschmolzen, doch später wieder neu angeschafft. 1939 wird erwähnt, dass die Glocken von Georg Hoppe in Hamburg umgegossen worden seien (Quelle: Die Kunstdenkmäler der Provinz Mark Brandenburg, Kreis Sorau, Kubach & Seeger, 1939).

Kubach&Seeger charakterisieren den Bau wie folgt:                          [ ] Saalbau mit Apsis und Holzemporen in den einfachen Formen der Schinkelnachfolge.  Die Kirche ist heute, innen wie außen, kaum verändert. Die Dreiteilung des Gebäudes ist von außen gut zu erkennen (Glockenturm, Kirchenschiff, Apsis). An der nördlichen Längsseite gibt es einen durch zwei breite Treppenstufen erreichbaren Zugang zum Gebäude. Das Dach ist  mit roten Ziegeln gedeckt und die Fassade erneuert worden. Der Haupteingang zur Kirche ist unterhalb des Glockenturmes, an der westlichen Kirchenseite. Diese Pforte verziert ein angedeutetes Dach, auf dem ein Kreuz angebracht ist. Darüber, wo der Glockenturm beginnt, sind in verschiedenen Höhen, jeweils drei ovale und weiter oben noch drei runde Fenster eingelassen. Oben am Turm zeigte einstmals eine Uhr die genaue Zeit an. Heute ist dieser Platz verwaist. Das Hauptkirchenschiff hat auf der unteren Ebene 13 kleinere, nach oben oval auslaufende Fenster. Darüber, parallel zu den unteren Fenstern, gibt es 14 Fenster gleicher Form, jedoch wesentlich größer. Sie reichen bis unter das Kirchendach und waren mit Motiven aus der Bibel bleiverglast. Insgesamt boten die Fenster im Innenraum des Gotteshauses viel Licht. Diese wertvollen Fenster fehlen heute. Es gibt nur einfache Scheiben. Innen ist die Kirche sehr schön und recht originalgetreu restauriert. Zusätzlich gibt es einen Beichtstuhl. Eine neue Orgel sorgt für guten Klang. Eine Fußbodenheizung unter neuen Fliesen sowie neue Holzbänke sorgen für Bequemlichkeit.  Der Altar ist heute stark verändert, der Taufengel darüber sowie die Kanzel rechts vor dem Altar fehlen. Holzbänke aus deutscher Zeit - mit eingeritzten deutschen Familiennamen - waren noch 2011 auf der Empore abgestellt. Direkt am Kirchenhaupteingang steht das Pfarrhaus, heute im schlechten baulichen Zustand.Da Nowa Rola kirchlich zu Tuplice gehört, gibt es auch keinen eigenen Pfarrer mehr im Ort. Im Sorauer Heimatblatt 11/1964 berichtet ein ehemaliger Brinsdorfer über seinen ersten Besuch nach 1945. Von polnischen Einwohnern herzlich empfangen, erzählten diese, dass die Niewerler Kirche seit 1947 als katholische Schule diene und die Toten in Drehne beerdigt werden.                                                            Anmerkung: In Drehne gab es nie einen Friedhof, auch heute nicht. Es könnte hier Grabow bzw. Niewerle gemeint sein!

Erntedankfest in der Kirche Niewerle um 1935 Foto: Sorauer Heimatblatt

























Mit 14 Jahren wurden die Jugendlichen konfirmiert. Dazu mussten sich alle wöchentlich einmal zum Konfirmandenunterricht einfinden, der nicht sehr beliebt war, sollte man doch viele Lieder und Verse auswendig lernen. Und vor allem, was konnte man in dieser Zeit alles anstellen!  Zwei Konfirmanden-Fotos sind erhalten geblieben:

Konfirmanden 1937 vor dem Pfarrhaus

Konfirmanden 1937 vor dem Niewerler Pfarrhaus mit Pfarrer Bährens Foto: Privat


Konfirmation der Geburtsjahrgänge 1924/25

Konfirmanden des Kirchspiels Niewerle 1939 Foto: Privat

                                                                                                         

  • Kirche Niewerle um 1910 Postkartenausschnitt
  • Kirche Niewerle um 2010 Foto: Privat
  • Kirche Niewerle um 2010 Foto: Privat
  • Kirche Niewerle um 2008 Foto: Privat
  • Kirche Niewerle um 2008 Foto: Privat
  • Kirche Niewerle 2011Foto: Privat
  • Kirche Niewerle 2017 Foto: Privat
  • Kirche Niewerle 2017Foto: Privat
  • Kirche Niewerle 2017 Foto: Privat
  • Kircheneingang Niewerle 2017 Foto: Privat
  • Orgel Niewerle Foto: 2009 Foto: Privat
  • Kircheninnenraum 2009 Foto: Privat
  • 2016


Liste der in Niewerle tätigen Pfarrer

(Quelle:Evangelisches Pfarrerbuch Brandenburg, Fischer, 1941)


4. Der Friedhof von Niewerle

Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde um die Kirche bestattet. Doch dann wurde der Platz auf dem Kirchhof knapp. In einem erhaltenen Dokument entschieden sich die Vertreter des Dorfes am 16.1.1827 einen neuen Begräbnisplatz am südlichen Rand des Dorfes anzulegen. Hier wurden Verstorbene auch aus Schniebinchen, Drehne und anfangs auch aus Tzscheeren bestattet. Am  20.6.1828 schickte man den königlichen Kreis Commissarius Gericke aus Sorau, um den genehmigten Plan zur Verlegung vor Ort in Augenschein zu nehmen. Im Protokoll dazu heißt es: Der neue Kirchhof erhält nach der Zeichnung des Herrn Gericke die Form eines länglichen Vierecks von  220 Duodecimal Fuß lang und 170 Duodecimal Fuß breit (etwa 67 x 52 m). Die innere Ein- und Vertheilung des Raumes des Kirchhofes geschieht auf dem in den Akten vorgelegten Plan. Der neue Kirchhof wird durch einen Zaun von eisernen Pflöcken,......  und nachher mit vier Kirchenmauern Riegeln von vier Zoll im Quadrat verbunden werden, eingefaßt. Gegenüber dem Eingange des Kirchhofes wird ein Gebäude von Holz mit Fachwerk und Ziegeldach ......von 18 Fuß Breite und 12 Fuß Länge (5,40 m x 3,60) groß gebaut (Trauerhalle) Zu den Baukosten dieses Gebäudes giebt das Dominium Niewerle 15 Taler bares Geld. Außerdem noch gemeinsam mit den anderen Dominien das Bauholz unentgeltlich. .... Die Anfertigung des Zaunes..... soll der Zimmermeister Gründel unter Aufsicht des Dominion Niewerle übertragen werden....   

Grab der Familie Heymann

Der Niewerler Friedhof vor 1945. Im Vordergrund das Grab der beiden Müller der Droschker Mühle, Moritz und Erich Heymann.   

 

Martha Noack, Ehefrau von Schuster-Noack aus Niewerle (1886-1930) Foto: K. Koinzer

Der deutsche Friedhof in Nowa Rola liegt direkt hinter der sehr gepflegten polnischen Begräbnisstätte. Man fand bis 2022 auf dem mit Büschen und Sträuchern überwucherten Areal kaum noch Grabeinfassungen bzw. Grabdenkmale. 

Auf den wenigen Grabsteinen, die alle umgestürzt und teilweise zerstört sind, kann man noch manchen  Namen  entziffern. Die Trauerhalle aus deutscher Zeit existiert nicht mehr, ebenso die Gruft ehemaliger Rittergutsbesitzer. 2017 fanden wir noch einige Grabplatten, die am Zaun entlang des polnischen Friedhofs aufgestellt waren. 

Im Januar 2023 trafen wir auf ein von Gestrüpp befreites Areal. Wir hörten, dass die Aufräumarbeiten auf Weisung der Bürgermeisterin erfolgten. Leider gingen dabei  einige der vor kurzem noch intakten Grabplatten entzwei. Die meisten von ihnen sind an der Friedhofsmauer aufgestellt.

Die Fotos neu entdeckter Grabsteine wurden in der Fotogalerie hier ergänzt.


 

  • Mein Ur-Ur-Großvater Droge und seine 2. Ehefrau
  • 1968
  • 2020
  • Ehepaar Wilke aus Drehne
  • Heymann von der Droschker Mühle
  • Karl Jurthe, Niewerle 1846-1926
  • Berthold Fobe, Niewerle
  • 000_0052
  • Friedhof Niewerle
  • Friedrich August Sündermann1830-1906
  • IMG_20230115_142412_1
  • Jan. 2023
  • Carl Wilhelm Zeimke, Niewerle 20.5.1821
  • Friedr.Kulke
  • unlesbar

5. Die Schule von Niewerle

Einführung

Bereits  1556, als der schlesische Adlige Balthasar von Promnitz die Herrschaft Sorau-Triebel erwarb, verfügte er, dass in jedem seiner Kirchdörfer eine Schule mit einem Schulmeister einzurichten sei. Die Verantwortung übertrug er den örtlichen Pfarrern. Doch bis zur Einführung der Allgemeinen Schulpflicht in Deutschland, welche 1919 in der Verfassung verankert wurde, sollten noch Jahrhunderte vergehen. Bedingt durch die zergliederte Herrschaftsstruktur (Herzog- u. Markgrafentümer, Königreiche) innerhalb des deutschsprachigen Kulturraumes sowie Zeiten der Kriege und veränderten Gebietsaufteilungen und -zuordnungen, gab es keine einheitliche Linie für die Verbreitung und Vermittlung von Wissen. 

Sehr frühzeitig sorgte Heinrich v. Brühl kurfürstlich- sächsischer und königlich- polnischer Premierminister in seiner Standesherrschaft Forst-Pförten für eine Schulordnung. Sie datiert vom 10.8.1763 und hatte zum Ziel, dass seine Unterthanen seit geraumen Jahren einen großen Verfall des Christenthums und die gröbste Unwissenheit in den göttlichen, wie auch in gemeinen Dingen zeigen.... Die Unterrichtsdauer sollte von Michaelis (29.9.) bis Ostern an jedem Tage vormittags und nachmittags je drei Stunden abgehalten werden...... Zum Lehrplan schrieb er: Unterricht soll im ABC-Buchstabieren, Lesen, Schreiben, Singen, Beten und Rechnen gegeben werden. Ehrbarkeit, Bescheidenheit und Höflichkeit gegen Jedermann, anständige Sitten und Gehorsam gegen Eltern und Obrigkeit soll den Kindern beigebracht werden.

Die Niewerler Schule vor 1945 Postkartenausschnitt
















1815/16 kam die Sorauer Gegend wieder unter die Preußische Krone. Ab diesem Zeitpunkt wurden verstärkt Lehrer in den Lehrerbildungsanstalten Luckau und Züllichau ausgebildet. 1817 wurden beide Ausbildungsstätten in Neuzelle zusammengelegt und 1819 ein neues Lehrerseminar in Altdöbern eröffnet. Die Ausbildung dauerte drei Jahre.  Zu dieser Zeit zahlten Eltern noch Schulgeld, welches bei armen, kinderreichen Familien nur schwer aufzubringen war. Außerdem fehlten gerade Kinder im ländlichen Raum als Helfer in der Landwirtschaft. Im Amtlichen Sorauer Kreisblatt vom 29.10.1851 beklagte der Landrat den unregelmäßigen Schulbesuch:

... die Verfügung der Königlichen Regierung zu Frankfurt Oder vom 27.7.1829 bestimmt, daß die Ortspolizeibehörden in Betreff der Schulversäumnisse auch jetzt nach dem Schulreglement für die Niederlausitz vom 26.02.1790, welches bestimmt....daß für jedes fehlende Kind eine unnachsichtige Strafe von 5 Silbergroschen auf jeden Tag von den Aeltern oder Pflegeaeltern etc. entrichtet werden soll, zu verfahren hätten ..... Diese Strafen sollen der Orts- und Armenkasse zufließen (Anschaffung Schulbücher/Schulgeld) Solche Aeltern, bei denen die Exekutionen fruchtlos ausfallen, sind mir nur erst anzuzeigen, damit die Strafe in verhältnismäßige Gefängnisstrafe umgewandelt werden kann..... 

Die Entlohnung von Lehrer war örtlich verschieden, doch auf dem Land sehr gering. Sie lag zwischen 20 und 100 Talern Jahresgehalt. Hinzu kamen meistens freie Unterkunft und etwas Land, um Gemüse, Obst usw. anzubauen. 

Schulwesen  und Lehrer in Niewerle

Der Heimatforscher Erich Schwärzel (1929 - 2008) war der Meinung, dass es um 1600 bereits den ersten evangelischen Pfarrer gab, welcher  vermutlich in Niewerle schon unterrichtete (Quelle: Sorauer Heimatblatt, September 1978). Einen exakteren Hinweis fand ich im Brandenburgischen Landeshauptarchiv. Hier existiert die noch erhaltene Akte einer Schulchronik: In dieser schreibt der damalige Rittergutsbesitzer Balthasar Erdmann v. Zeschau an seinen König :

14.12.1796  Schulchronik Nr. 11 die Schule in Niewerle betreffend (mit Drehna, Zscheeren, Grabo, Niemaschklebe, Brinsdorf, Schniebinchen)  Durchlauchtigster Churfürst, Gnädigster Herr Friedrich August v. Sachsen Eure Churfürstlichste Durchlaucht ist gnädig gefällig geworden Winterschule in Niewerle eingerichtet zu haben. Pastor Langora allhier hat sich sehr bemüht.
Schon am 12. Januar 1800 meldete der Pfarrer Karl Lorenz Benedikt Langora:                                                            .....  Wöchentlich 3 bis 4 mal werden je drei Stunden Unterricht abgehalten.

1841 betrug das Schulgeld in Niewerle für jedes schulpflichtige Kind vom 6.-14. Lebensjahr 25 Silbergroschen, unabhängig davon, ob das Kind tatsächlich die Schule besuchte. Die Niewerler Schule war eine Ein-Klassen-Schule, wie damals üblich. Schüler von 6 - 14 Jahren (Jungen und Mädchen zusammen), auch aus Schniebinchen, wurden hier von einem Lehrer unterrichtet. Das erforderte von den Schülern besondere Aufmerksamkeit, Konzentration und vor allem Disziplin. Auch die pädagogischen Fähigkeiten des Lehrers waren gefragt, um die Rasselbande im Zaum zu halten. Erleichternd war jedoch, dass die Kinder damals noch autoritäre Erziehung im Elternhaus genossen und sich ihrem Status gemäß, als Kind unterordneten sowie Erwachsenen Achtung erwiesen. 

Einer der letzten Lehrer, Hermann Granz, wohnte in Klein-Drehne und wurde aus gesundheitlichen Gründen am 1.8.1906  pensioniert. Nach mehr als 31 Dienstjahren betrug seine Pension 60 % seines Jahresgehaltes, 1.555 Mark. Granz starb am 11.4.1913.  Artur Löffler trat am 1. Oktober 1906, im Alter von 20 Jahren, seinen Dienst in Niewerle an. Es war seine erste Anstellung, die er kurz nach seinem 1. Lehrerexamen bekam (2. Examen 1909). Löfflers Jahres-Grundgehalt betrug 1.900 Mark. Als Alterszulage werden  400 Mark genannt (Quelle: Unterlagen BLHA Potsdam).
Löffler, der auch Akkordeon und Orgel spielte, brachte wohl frischen Wind ins Dorf. So schreibt er am 4.12.1910 an den Kreisschulrat in Guben: Die Schule wird von den Kindern zweimal wöchentlich gereinigt. Gescheuert wird das Schulzimmer nur in den Ferien. In der Sitzung am 3.12. hat der Schulvorstand die tägliche Reinigung beschlossen. Es sollte eine Frau angestellt werden.....       Dieser Antrag wurde auch genehmigt. 

Aus dem Jahr 1912 ist noch der Stundenplan in Niewerle erhalten: (Quelle: BLHA Potsdam)

Altersklasse I (11-14 Jahre) von 7.00-10.00 Uhr und Altersklasse II (6-10 Jahre) 10.45-13.00 Uhr

Uhrzeit

Montag

Dienstag

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

Samstag

7.00- 7.45

Religion

Deutsch

Katechismus

Religion

Diktat

Religion 

7.45- 8.30

Rechnen

Rechnen

Deutsch 

Rechnen

Rechnen

Deutsch

8.30- 9.30

Zeichnen

Geschichte

Naturkunde

Grammatik

Geografie

Gesang

9.30-10.00

Handarbeit/Turnen

Schreiben

Geschichte

Handarbeit/Turnen

Schreiben


Uhrzeit

Montag

Dienstag

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

Samstag

10.45 - 11.30

Religion

Religion

Schreiben

Religion

Religion

Schreiben

11.30 - 12.00

Rechnen

Rechnen

Rechnen

Rechnen

Rechnen

Rechnen

12.00 - 13.00

Deutsch

Deutsch

Gesang

Deutsch

Deutsch

Gesang

Eingeschult wurden die Kinder mit der 8. Klasse, entlassen dann nach der ersten Klasse. Benotet wurde damals umgekehrt, eine 6 war die beste, eine 1 die schlechteste Zensur.

Ob und wie der Unterricht im I. Weltkrieg stattfand, ist unbekannt. In den Akten fand ich folgenden Vermerk vom 27.1.1919:            An den Kreisschulinspektor in Guben

Der Lehrer Arthur Löffler, hier angestellt, ist am 15.1.1919 aus dem Felde zurückgekehrt. Er ist schwer erkrankt an Grippe und Lungenentzündung und dürfte nach Ausfrage des Arztes 3-4 Wochen keinen Unterricht erteilen. Bitte Weiteres zu veranlassen.

                                        Gezeichnet: Valentin, Schulvorstand 

Lehrer Schulz aus Drehne musste Löffler während dessen Krankheit vertreten.                                                      Über Gesundheitsfürsorge  berichtet ein anderer Vermerk. Löffler teilt dem Kreisschulinspektor am 7.7.1919 mit, dass der Unterricht der Klasse I ausfällt, weil die Schüler zur Impf-Nachsorge nach Pockuschel geführt werden müssen.  

Jährlich fanden bis 1945 sogenannte Schulvisitationen/Schulrevisionen der Schulbehörden statt, um den Kenntnisstand der Schüler, die Arbeit der Lehrer, sowie die örtlichen Bedingungen zu prüfen. Auch derartige Protokolle sind noch vorhanden. Im Rahmen der Schulrevision vom 23. Juli 1919  werden darüberhinaus noch weitere Angaben gemacht:

Einwohner Niewerle = 267;                          Einwohner im 1,5 km entfernten Schniebinchen = 180;                  

54 Knaben und 43 Mädchen;                       Schulchronik bis in die Gegenwart geführt;         

Schulbibliothek: 24 Bände;                          Benutzung: fleißig                                               

Lehrer Löffler spielt Orgel und Akkordeon und leitete den Kirchenchor....

Am 25.2. 1923 führt Löffler wegen der hohen Anzahl von Schülern Beschwerde: ... wegen großer Schülerzahlen…… ist es nicht möglich, die Schüler planmäßig zu fördern….    

Am 4. Mai 1923 zeigt Löffler dem Sorauer Kreisschulrat an, dass er momentan 43 Kinder aus Niewerle und 33 aus Schniebinchen unterrichtet. Sechs Katholiken seien darunter. Für den Sportunterricht stünden ein Reck, ein Barren sowie zwei große Bälle und ein Faustball zur Verfügung. Auf 80 Kinder kamen im Schuljahr 1922/1923 277 entschuldigte Fehltage. Handarbeitsunterricht für 32 Schülerinnen und zwei Stunden pro Woche erteile noch immer seine Ehefrau Elsbeth Löffler,..... Frau Löfflers Verdienst war jährlich ein Zentner Roggen. Die Schulreinigung erfolge nun zweimal wöchentlich. Abschießend bat er in seinem Bericht noch um 12 Stck. Reichsverfassungen. 

Als Artur Löffler starb, wurde er in der Kirche aufgebahrt, sodass Schüler und Einwohner Abschied nehmen konnten. Nach Informationen eines Zeitzeugen soll Löffler in Sommerfeld beerdigt worden sein.

In der Folgezeit führten Aushilfslehrer den Unterricht fort, bzw. im Krieg, sprang der Drehner Lehrer und gleichzeitige Standesbeamte, Friedrich Schulz, ein. Später mussten alle Niewerler/Schniebinchener die Schule in Groß-Drehne (gleichzeitig auch Standesamt) besuchen.

Hier die unvollständige Liste der Niewerler Lehrer (Quelle: Kirchenbücher, Zeitzeugen, Unterlagen BLHA Potsdam)

nachgewiesener Zeitraum                       Name

1796                                                    Pastor Langora

1809                                                    Johann Gottlob Sturm

um 1840 bis 1848                                 Johann Carl Samuel Preuß

1848- bis Herbst 1850                          Seminarist Tschentke

ab dem  Herbst 1850                            Teige

nachgewiesener Zeitraum                             Name

1854-1876                                                Carl Gottlieb Pohlisch

1876 - 1906                                              Hermann Granz

*16.02.1886 - 15.1.1940                           Artur Löffler     Dienstzeit:1.10.1906 - 31.03.1937

Verpflichtet zum 1.5.1940,                       Kurt Mattner       jedoch ab 1.9.1939 Wehrmacht)

 ab 1.4.1943                                             Gisela Herzog


 Schüler der Niewerler Schule mit Lehrer Löffler, um 1938

Das Schulhaus von Niewerle 

Am 3. Mai 1876  wurde mitten im Dorf der Grundstein für ein neues Schulgebäude in Niewerle gelegt. Wo das alte, in die Jahre gekommene stand, habe ich nicht herausgefunden, doch sein baulicher Zustand verschlechterte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts akut.  Nachdem man gemeinsam mit der Gutsherrschaft und dem Dorfschulzen das Haus begutachtet hatte,  wandte sich der damalige Lehrer Pohlisch am  26.1.1872 an Landrat v. Lessing. Das Ergebnis war, dass eine Renovierung kaum Verbesserung bringt, sondern keine Abhülfe verschafft und wir letztendlich nicht im Stande sind, neu zu bauen. 

Die Gemeinde forderte von der Sorauer Schulbehörde am 5.2.1872 einen Schulneubau: ...Die Vergrößerung der Schulstube macht selbst bei Halbtagsunterricht für die Schülerzahl nicht genügend Platz. Darauf wird bei dem Erweiterungsprojekte keine Rücksicht genommen. Die Wände des Hauses, dessen Fußboden stellenweise tiefer liegt, als daß darum befindliche Terrain, sind durch und durch feucht, welcher Mißstand durch die beabsichtigte Renovierung nicht beseitigt wird, da die Wände in Lehm gemauert sind und Lehmmörtel erfahrungsgemäß das Aufstiegen der Feuchtigkeit in die Mauern befördert. Ebenso völlig ungenügend wie das Haus ist der Schulhof. Er bietet nicht einmal genügend Raum dar, um ordnungsgemäße Aborte anzulegen. Auch diese Umstände machen es uns zur Pflicht, darauf zu bestehen, daß das Schul- und Küsterhaus an einem anderen geeigneteren Platze aufgebaut wird....

In der Folgezeit gab es viele Probleme. Für die Finanzierung eines Neubaus hatte die Gemeinde kein Geld. Erst am 28.5.1873 konnte ein passendes Grundstück  von der Witwe Johanne Christiane Balzer erworben werden. Schließlich zeichnete für den Neubau Maurermeister Freytag und Zimmermeister Balaik, beide aus Sommerfeld, verantwortlich. Die Gemeinde musste am 5.6.1876 ein Darlehen von 9.000 Mark aufnehmen (Zinssatz 3,5 %, Laufzeit 32 Jahre). Als Sicherheit bot die Gemeinde: .... verpfänden wir hiermit das gesamte Vermögen der Kirchen- und Schulgemeinde Niewerle und das jedes einzelnen Mitglieds dergestalt, daß die Hülfskasse sich nötigenfalls daraus Befriedigung zu verschaffen berechtigt und befugt sein soll....

Doch schon einige Jahre später kam das Dorf in Zahlungsschwierigkeiten. Pastor Ebert schrieb am 20.6.1891: Der Direktion der Hülfskasse der NL beehre ich mitzuteilen, daß die Einsendung der schon am 1. Juni fällig gewordenen Kirchen-, Küsterei- und Schulbauzinsen ...... mir nicht möglich ist, da wiederum mehrere Dorf- und Gutsvertreter die Zahlung ihrer Beiträge verweigern. Leider fehlt weiterführender Schriftverkehr dazu.

6. Das Rittergut Niewerle

Das Gutshaus in Niewerle, auf einer Ansichtskarte auch als Schloß bezeichnet (um 1920)

Das Gebiet des späteren Kreis Sorau war im 18./19.Jahrhundert zum größten Teil in die Standesherrschaft Forst-Pförten (zeitweilig auch separat) und in die Königliche Standesherrschaft Sorau - Triebel aufgeteilt. Das restliche Territorium splittete sich im Jahr 1850 in 26 Rittergüter auf. Dazu zählten auch Niewerle, Brinsdorf, Drehne, Schniebinchen und Tzscheeren. Hinzu kamen zwei Vasallengüter der Herrschaft Sorau, nämlich Grabow und Niemaschkleba (ab 1889 Wiesenthal).                                                                                          (Quelle: Landbuch der Mark Brandenburg u. des Markgrafthums Nieder-Lausitz, Dr. Heinrich Berghaus, 3. Band, 1856)

Besitzer von Rittergütern waren dem Landesherrn, hier über Jahrhunderte dem Markgrafen der NL direkt unterstellt. Sie hatten gegenüber ihm, dem Lehnsherren,  gewisse Privilegien, aber auch Pflichten. Die Adligen fungierten als alleiniger Herr über die Gerichtsbarkeit aller ihrer Untertanen  (Patrimonialgerichtsbarkeit bis 1849). Ein Gutsbesitzer war zugleich auch Kirchenpatron. Bis 1929 bildeten die Güter innerhalb eines Ortes einen eigenen Gutsbezirk. Kriege, besonders der Dreißigjährige, verwüsteten die Ortschaften, brachten Einwohner wie auch Gutsherren an den Rand des Ruins. Aber auch durch Vererbungen, Auszahlung der Witwen usw. geriet mancher Adlige in Not. Johann Gottlob v. Reibnitz erbte 1755 Niewerle, es fehlte ihm jedoch an Geld, um das Gut zu modernisieren. Also sollte ein Kredit über 1.000 Taler ihm aus der Klemme helfen. Dieser wurde ihm jedoch verwehrt, sodass er Einspruch erhob: ... daß das Gut an einer Straße  gelegen sei, welche Tag und Nacht von Commandos und Partheyen wimmele. Die unseligen Gefährten und Plagen des Krieges, die..... Läger ganzer Armeen,  Fouragierungen (Futterbereitstellung), Viehseuchen, Mißwachs, Plünderungen und Lieferungen, alle diese Übel hat in sechs langen und schweren Jahren der Not und des Krieges dieses Dörfchen erlitten. Die Untertanen sind verarmt und fast in Verzweiflung....                                                                                          (Quelle: Die Niederlausitzer Rittergüter u. ihre Besitzer, Band II, Kreis Sorau, Götz v. Houwald)

Am 17. August 1791 brannte es in Niewerle. Es wird berichtet, dass halb Niewerle von einer Feuersbrunst heimgesucht wurde, welche die ganze Mitternachtsseite (Norden) des v. Reibnitz`schen Gutsanteils, nämlich 5 Ganzbauern, 2 Gärnter, 1 Büdner  sowie das Brauhaus in Asche gelegt hatte. (Quelle: (QuelleDie Niederlausitzer Rittergüter und ihre Besitzer, Band II Kreis Sorau, Götz v. Houwald) Die finanzielle Misere der Gutsbesitzer setzte sich auch im 19. Jahrhundert fort. Zwischen 1886 und 1925 mussten im Kreis Sorau 17 Güter einmal, 6 Güter zweimal und 2 Güter dreimal zwangsversteigert werden.                       (QuelleDie Niederlausitzer Rittergüter und ihre Besitzer, Band II Kreis Sorau, Götz v. Houwald)

Über welchen Grundbesitz verfügte das Niewerler Gut?   

1850:  Gesamtareal 1088 Morgen (272 ha), darunter 342 Morgen (85,5 ha) Ackerfläche, 74 Morgen (18,5 ha) Wiesenland und 399 Morgen (100 ha) Waldbestand. (Quelle: Das Landbuch der Mark Brandenburg und des Markgrafthums Nieder-Lausitz in der Mitte des 19. Jahrhunderts, Heinrich Karl Wilhelm Berghaus, Band III, 1856)                                                                                                                                                                                                1869  Gesamtareal 1045 Morgen (261 ha) (Quelle: Lehmann, Historischen Ortslexikon der NL Band II)

1879  Gesamtareal 265,75 ha (einschl. Gutshaus und Gutshof), darunter  Acker 68,75 ha ; Wiesen 23,20 ha; Hutung 17,10 ha; Wald 150,00 ha;  Für diesen Besitz fielen Grundsteuern in Höhe von 1.173,36 Mark an. (Quelle: General-Adressbuch der Ritterguts-und Gutsbesitzer im Deutschen Reiche, Band I Königreich Preußen)                                                                                                                                                                                                  1914  Gesamtfläche 267 ha , Acker 74 ha , Wiesen 25 ha , Holzungen 160 ha  Als zu versteuernder Reinertrag wurde für das Jahr 1.174 Reichsmark angegeben  (Quelle: Statist. Jahrbuch  1914).

Das Gutshaus Niewerle schien der Größe des Besitzes angemessen (nach 1945 Ruine, später abgetragen). Wann es erbaut wurde, konnte ich nicht herausfinden. Rudolf Lehmann erwähnt im Historischen Ortslexikon für die NL: Gutshaus das 17./18. Jahrhundert. Eine polnische Internetseite meint, es sei im 18. Jahrhundert erbaut und im 20. Jahrhundert renoviert worden. Auf jeden Fall erinnerte der Baustil  sehr an die Gutshäuser in Gassen und Jessen (beide sind noch erhalten).

Kubach/Seeger beschreiben es als zweigeschossiges Haus von neun zu drei Achsen mit schwach vorgezogenem Mitelteil und großem Mansardendach; ein kreuzgewölbter Raum in der Südostecke, 17./18. Jahrhundert (Quelle: Die Kunstdenkmäler d. Provinz Mark Brandenburg, Kreis Sorau bzw. Historisches Ortslexikon der Niederausitz, Kubach/Seeger 1939).    

Ludwig Krug, damaliger Gutsbesitzer von Jessen schrieb 1897 in einem Aufsatz: Wie Jessen, zeigt auch die Vorderfront des Niewerler Gutshauses nach Norden. Hier fehlt jedoch ein Souterrain, es gibt jedoch ebenfalls zwei Etagen mit einem hohen durch Gauben unterbrochenen Dach. Der Bau ist durch beide Etagen durch einen von Giebel zu Giebel führenden breiten Korridor geteilt, welcher in der Mitte in einen großen drei Fenster breiten Vorraum führt, in welchem die Treppe liegt. (Quelle: Archiv der Brandenburgia, Gesellschaft für Heimatkunde der Provinz Brandenburg, 3. Band, 1897)                                                                                                                                                    

Gutshaus Niewerle um 1910 Ausschnitt Postkarte

So soll es im Pattere einen schön gewölbten großen Raum gegeben haben, in der ersten Etage, den bevorzugten Wohnräumen,  einen Repräsentationsraum und hinten die bequemen Wohnzimmer. Auch soll noch ein Musikzimmer  vorhanden gewesen sein.                                                                                                         


 


Liste der Gutsbesitzer (Quelle: Rudolf Lehmann, Historisches  Ortslexikon für die NL)


Das Amtsgericht Pförten eröffnete am 24.11.1928 das Konkursverfahren gegen Kommernitzik. Es soll sich um Schulden in Höhe von 660.000 Mark gehandelt haben. Zur Konkursmasse zählten auch die Niederlausitzer Holzkohlenwerke Niewerle (Fläche der heutigen Gärtnerei) Zu dieser Zeit  besaß er 267 ha Land, 8 Pferde, 31 Kühe. (Quelle: Sorauer Tageblatt v. 19.11.1928 u. Landwirtschaftliches Güter-und Adreßbuch)

1942 erwarb der Industrielle Herbert Quandt (1910-1982) den knapp 1.000 Morgen großen Hof. Sein Plan war die Züchtung von Trakehner-Pferden. Er nutzte das Gut, um die Wochenenden, mit nur ganz wenigen Ausnahmen, dort zu verbringen. Zeitzeugen erzählten von Sylvia Quandt (*1937 Malerin), einem hübschen blonden Mädchen, mit welcher sie manchmal gespielt haben.              (Quelle: Der Aufstieg der Quandts, eine deutsche Unternehmerdynastie, Joachim Schottyseck) 

Meine Eltern vor der Ruine des Gutshauses 1968, welche 1977 immer noch vorhanden war Foto: U.Balzer

Am 11. Oktober 1932 brannte es auf dem Niewerler Gut. Die Freiwillige Feuerwehr aus Triebel wurde alarmiert. Sie war moderner  ausgerüstet, sodass die Brandbekämpfung effektiver war. Was aber war denn eigentlich passiert?  Gutspächter Pfeiffer rief früh morgens um 5.20 Uhr bei der Triebeler Feuerwehr an und teilte aufgeregt mit, dass seine mit Getreide gefüllte Scheune in Flammen stehe. Schon um 5.35 Uhr rückte der Motorlöschzug aus und traf um 6.03 Uhr an der Brandstelle ein. Fünf Minuten später begannen die Löscharbeiten. Kurz danach traf auch die Wehr von Brinsdorf ein. Letztendlich konnte mit fünf C-Rohren gleichzeitig gelöscht werdenWie hoch der materielle Schaden war, wird im Sorauer Heimatblatt nicht erwähnt.                  (Quelle: Sorauer Heimatblatt)

7. Der Bahnhof Niewerle

Der allgemeine industrielle Aufschwung Ende des 19. Jahrhunderts erforderte bessere Verkehrs-verbindungen. Große Bahnlinien, wie zum Beispiel Berlin – Görlitz – Breslau, existierten bereits. Querverbindungen, sogenannte Nebenstrecken, wurden nun gebraucht, um Industrieanbindungen im ländlichen Bereich zu realisieren.  Nur über die Streckenführung waren sich die Landräte von Sorau und Rothenburg (Schlesien) damals nicht einig. Letzterer favorisierte die Strecke Muskau – Zibelle – Sorau, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Schließlich einigte man sich auf die Linie Muskau – Triebel – Sommerfeld.  Am 1. Oktober 1897 ging die Bahnlinie Teuplitz – Sommerfeld - über Niewerle - in Betrieb. Ob das Bahnhofsgebäude zu der Zeit schon fertig war, ist nicht bekannt.   Die Gesamtlänge dieser Nebenbahn (Sommerfeld - Weißwasser) betrug schließlich 42,6 km. Bedarfs-Haltestellen, auch Haltepunkte genannt, gab es in Groß-Teuplitz, Läsgen, Freibad Grabower Mühle und Schniebinchen.

 

8. Die Droschker Mühle

Diese Mahl-und Schneidemühle - in historischen Karten auch als Druschker Mühle oder Dros Hamer bezeichnet - lag direkt an der Chaussee Niewerle-Pockuschel/Rotfelde, etwa 2,5 Kilometer außerhalb von Niewerle, auf der linken Straßenseite (heute Wüstung). Bis 1945 war sie über mehrere Jahrhunderte in Familienbesitz.                                                                                                            Es war ein recht weitläufiges Gelände mit mehreren Gebäuden. Das Mühlhaus mit einem Wasserrad von ca. vier Metern Durch-messer stand direkt am Mühlgraben, der etwa dreihundert Meter stromaufwärts von einem Wehr gestaut, von der Üchtritz ab-zweigte. Neben Mahl-und Schrotaufträgen sorgte der Einschnitt von Brettern, Bohlen und Bauschnitt-Hölzern für das Einkommen der Familie Heymann. Zum Mühlengelände gehörten neben dem Wohnhaus, den Stallungen, dem Streuschuppen, dem Wasch-und Back-Haus auch ein Holzplatz mit Gleisanschluss zur Chaussee.  

Gelände der Droschker Mühle (vor 1945) Zeichnung von Werner Heymann 2011

Der Familienname Heymann taucht in den Unterlagen/Kirchenbüchern über die Jahrhunderte in verschiedener Schreibweise auf.        Anfang der 1690er Jahre  wird im Kirchenbuch von Niewerle ein Hans Girge Hehmann, selig gewesener Struschker Müller erwähnt. Vermutlich war er nur Pächter, denn 1705 wird  Johann Horstig, (1.4.1666 - 21.4.1726 in Druske/Niewerle) hier als Mühlenbesitzer ausgewiesen.                                                                                                                                                                                                                Am 14.9. 1717 heiratete Johann Christian Hehmann Anna Maria Horstig. Christians Vater wird im KB als Pächter der Pockuscheler Mühle erwähnt. Fakt ist jedoch, dass Johann Friedrich Hehmann 1753 die Droschker Mühle für 600 Taler von J. Christian Horstig kaufte. Danach wurde das Grundstück über die Generationen weiterverkauft bzw. -vererbt. Streitigkeiten blieben dabei nicht aus, wenn das Ausgedinge (6 ScheffelKorn, 174 Weizen, 174 Graupen, 174 gestampfter Hirse 174 Heidegrütze, eine Kuh im freien Futter, das Beet an der Brücke....schließlich von sämtlichen Obst den dritten Teil ...) nicht gezahlt wurde. 

Der letzte Heymann-Müller, Moritz H. (20.9.1858 - 1.6.1935) war mit Wilhelmine Schwetasch (7.6.1864 - 5.11.1945), die aus einer Mehlener Mühle stammte, verheiratet. Von den vier Kindern (Erich, Gerhard, Elsbeth, Louise verstarb als Kleinkind), wurde nur Erich (1903 - 1935) Müller. Er starb jedoch schon kurz nach seinem Vater an einer  nicht auskurierten Verletzung, die er sich bei der Arbeit zugezogen hatte. Danach wurde die Mühle verpachtet.

Heute finden nur Insider das Mühlengelände noch. Sämtliche Gebäude existieren nicht mehr, das Gelände ist vollständig mit Kiefern, Birken und Sträuchern  überwuchert. Reste  des Wehres sind noch zu finden. Der Mühlgraben ist total verwachsen.  Einige Obst- und Fliederbäume kennzeichnen die ehemalige Streuobst-wiese. Um den Teich wachsen Erlen. 2010 konnte man von der Freigrabenbrücke noch Fragmente erkennen. Die folgenden Fotos verdanke ich Werner Heymann.

  • Hof-Einfahrt zur Mühle
  • Hof der Droschker Mühle
  • Wohnhaus mit Einfahrt zum Holzlagerplatz
  • Wohnhaus,Fam.
  • Wehr
  • Mühlrad
  • Holzlagerplatz
  • Wilhelmine u. Moritz Heymann um 1930
  • Moritz u. Wilhelmine Heymann mit ihren Kindern, um 1914 Foto: Werner Heymann
  • Familien Heymann und Schwetasch Foto: Werner Heymann
  • Fischteich
  • Das Mühlen-Gelände 2011 Foto: Werner Heymann
  • Mühlgraben-Senke 2007 Foto: Werner Heymann


Opfer I. Weltkrieg Niewerle: Bothe, Reinhold; Hahn, Richard; Kahra, Otto; Kasprig, Paul; Lehmann, Paul; Noack, Reinhold; Schmidt, Paul; Sommer, Friedrich                       (Quelle: www. genealogy.net, unvollständig)

Opfer II. Weltkrieg: Stellmacher Franz Lehmann; Hugo Schulze (im Februar 1945 nach Zeugenaussagen erschossen);  

Gefallene:            

Feldw. Gerhard Heymann 19.01.1905 - 28.09.1941; 5. Kompan. Inf. Reg. 452 gefallen nördlich von Dubrowka;    O.Gefr. Paul Hameister 09.11.1919 - 19.12.1942; 2. Panz. Grenad. Ersatzbatt. 110; gef. Höhe 148,8 westl. Swo.    Gefr. Otto Krüger 13.12.1907 - 17.12.1941; 5. Komp. Inf. Reg. 121; gefallen Höhe 200 bei Sewastopol                    Bausold. Max Paul Helbig 31.01.1901 - 01.03.1941; 1. Bauersatz. Batt.Crossen

Quellen: www.ancestry.de 

  • Wohnhaus Fritz Droge 1968 Foto: Privat
  • Scheune Drog.
  • Wohnhaus Fritz Droge 1982
  • Wohnhaus Droge Foto: Privat 1982
  • Stallgebäude Fritz Droge Foto: Privat 1982
  • Gasthaus Kubale vor 1945 Postkartenausschnitt
  • Gasthaus Kubale 1961 Foto: H.G. Krause
  • Links: Ruine der Niewerler Schule Fot: H.G. Krause
  • Blick auf die Ruine der Niewerler Schule Foto: H.G. Krause 1961
  • Weg zum Bahnhof Niewerle um 1995 Foto: Privat
  • Tischlerei Alfred Koall, Niewerle vor 1945 Foto: S. Koall
  • Koalls HausVorkr
  • Spritzenhaus Niewerle Foto: H.G. Krause 1961
  • Brücke über die Üchtritz Foto: H.G.Krause 1961
  • Ansichtsk.Niew.Kubale 2

9. Zeittafel Niewerle